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Die Reise des Vito Castellani
Aufgeführt im Jahre 212 zur Einladung "Viva el Rey"Ein Schauspiel in fünf Aufzügen
Es treten auf: Vito Castellani, seine Söhne Tyro, Lobo und Pedro, seine Töchter Emanuela und Carmelita, der Bauer Ronaldo, eine Gespielin, drei Hexen (nebst brodelndem Kessel) und eine Horde Wilder
Erster Aufzug
(Drei Hexen, auf dem Felde)
Erste Hexe: Wann treffen wir uns das nächste Mal? Bei Regen, Donner, Wetterstrahl?
Zweite Hexe: Oder lieber bei Sonnenschein, süßen Trauben, rotem Wein?
Dritte Hexe: Redet nicht so dämlich, wir haben Vito Castellani aufzulauern, sei’s auf dem Feld oder in der Heide. Wollen wir sehen, ob er der Herr des Landes wird.
Alle drei: Kröte ruft: sogleich! Schön ist wüst und wüst ist schön! Wir wirbeln durch Nebel und Wolkenhöhen!
(Hexen wirbeln ab)
Zweiter Aufzug
(Vito Castellani reist auf der Küstenstraße von Trutzburg aus nach Norden)
Vito: Nun reiste ich das erste Mal zu den Gnomen, um sie mit eigenen Augen anzusehen. Klein sind sie ja, aber ihre Nasen! Damit schnüffeln sie wohl die Smaragde auf wie die Schweine die Trüffel. Den größten und schönsten und grünsten all der Steine, die ich ertauscht habe, den will ich meiner Abuela schenken. Sie soll eine Freude daran haben, auf ihre alten Tage. Und wenn ich den Stein so ansehe, dann will ich ihn schleifen lassen als eine Schildkröte, denn die hat sie immer am liebsten gehabt. Ah, wenn ich nur an ihre Schildkrötensuppe denke, dann läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
Erste Hexe (die sich hinter einer Palme verbirgt): Da kommt der junge Vito. Hier will ich ihn stellen!
Vito: Kaum denk‘ ich an meine Abuela, da seh‘ ich eine alte Frau am Wegesrand. Buenos dias, senora!
Erste Hexe: Guten Tag Fremder, was treibst Du hier auf der Straße? Woher, wohin geht deine Reise?
Vito: Aus Trutzburg komm ich, wo ich mit den Gnomen gehandelt habe. Und kennst Du mich nicht? Ich bin Vito Castellani. Die ganze Stadt Jarlow hört schon auf mein Wort, und bald soll es das ganze Land tun!
Erste Hexe: Hör sich das einer an! An Selbstvertrauen fehlt es dir nicht. Siehst Du die Heide dort vorn? Die Wilden bauen dort den Tabaco an, den sie zu rauchen pflegen. Bevor sie mir das Feld stahlen, war es meines. Ich will es dir schenken, wenn du es erobern kannst.
Vito: Nichts leichter als das! Tyro, Lobo! Kommt her meine Söhne! Es gibt eine Aufgabe für euch!
Tyro: Padre! Du hast mich gerufen?
Lobo: Senor Castellani, den ich liebe wie meinen Vater, was kann ich tun?
Vito: Seht ihr das Feld dort, wo der Tabaco mannshoch wächst? Zwischen den Pflanzen hocken Wilde, die meinen das Feld gehöre ihnen.
Tyro und Lobo (singend, worauf sie mit den Wilden kurzen Prozess machen): Doch unsere Messer wissen es besser!
Vito: Wohlgetan, meine Söhne. Hier haben wir gelernt, dass manchmal ein Kampf am Wegesrand wartet und gefochten werden will. Deshalb will ich diesen Ort Camino Luchar nennen. Und mein Vetter Carlito soll hier den Tabaco anbauen, denn er schätzt ihn wie kein Zweiter.
Dritter Aufzug
(Vito Castellani ist weiter nach Norden gereist und erreicht ein Wirtshaus)
Vito: Solange bin ich jetzt gereist, ich bin recht durstig. Und schon komme ich an eine Taverna, was für ein Glück.
Zweite Hexe (verkleidet als Schankmagd): Guten Abend, gnädiger Herr, nur herein in die Wirtschaft.
Vito (der eintritt): Gracias, senora. Doch sie ist ja schon bis zum Bersten gefüllt.
Zweite Hexe: Nun an diesem Tisch ist noch Platz. Du sollst ihn mit dem Bauern Ronaldo teilen.
Vito (der an dem Tisch Platz nimmt): Gut, dann bring mir zu essen und vom roten Wein.
Bauer Ronaldo (schon etwas betrunken): Heda Fremder, hier trinken wir keinen Wein.
Vito (grimmig): Wer bist du, mir vorzuschreiben was ich zu trinken habe?
Ronaldo (lachend): Du kommst hierher, Fremder, kennst nicht unsere Sitten und fragst mich wer ich bin? Ich bin Ronaldo, und mir gehört das große Zuckerrohrfeld, das sich soweit man sehen kann an der Küste entlang zieht. Ich bin der reichste Mann in der ganzen Gegend.
Vito (murmelt leise): Tot bist du gleich!
Ronaldo: Was sagst du? Ich höre etwas schwer. Aber blick dich nur um, das Dutzend meiner Knechte an dem Tisch dort drüben, das hört gut. Sieh dich nur vor, dass sie dich nicht sogleich aus der Türe heraus und den Hang bei den Stiefelsteinen herunterwerfen.
Vito (hat schon die Hand am Messer, lässt dann aber ab): Gut, wenn dir die Zuckerrohrfelder gehören, dann ist es wohl Rum, den man hier trinkt? Lass mir von deinem besten auftragen, dann will ich dir sagen, wie die Sache für uns beide ausgeht.
Ronaldo (lachend): Ah, vielleicht bist du doch nach meinem Geschmack, Fremder. Schankmaid, bring von den grünen Limonen und vom weißen Rum!
Vito (der den Rum kostet und lacht): Na, wenigstens dein Rum ist nach meinem Geschmack.
Ronaldo: Es ist der beste im ganzen Land.
Vito: Er muss es sein. Und du machst ihn?
Ronaldo: Das Land auf dem das Zuckerrohr wächst, ein kleiner Eichenhain, aus dem das Holz für die Fässer kommt und das Wissen darum, wie man den Rum macht gehörten schon meinem Großvater.
Vito: Wer so große Kunstfertigkeit besitzt, dem kann ich nicht böse sein. Lass uns von deinem Rum trinken, und meine Würfel werfen.
Ronaldo: So soll es sein.
Vito (recht betrunken, nachdem die beiden eine Weile getrunken und gewürfelt haben): Ronaldo, es geht nicht an! Du bist vom Glück verfolgt, hast mich um all mein Gold erleichtert. Nichts habe ich mehr, als diesen Edelstein, den ich von den Gnomen habe.
Ronaldo (auch schon recht betrunken): Das ist der größte Smaragd, den ich je sah! Der muss ein Vermögen wert sein!
Vito: Das ist er wohl, aber ich habe ihn für meine Abuela gekauft. Den kann ich nicht hergeben.
Ronaldo: Ich will all das Gold dagegensetzen, das ich von dir gewonnen habe, und mein Zuckerrohrfeld noch dazu!
Vito: Aber gegen dich kann ich nicht gewinnen, so sehr die Würfel dich lieben, so sehr hassen sie mich heute. Aber warte! Ich will meinen Sohn Pedro rufen, er soll die Würfel werfen!
Pedro (der sich aus dem Schatten schält): Padre, ich habe die ganze Sache mitangehört und mich schon gefragt, wann du mich rufen würdest.
Ronaldo (der seine Augen nicht von dem Smaragd lösen kann): Dann soll dein Sohn für dich würfeln. Wenn ich diesen Edelstein gewinne, dann bin ich ein gemachter Mann!
Vito (zu Pedro): Gerade erst im rechten Moment habe ich dich gerufen.
Ronaldo (der würfelt): Ha! Dieser Wurf ist kaum zu schlagen!
Pedro (der ebenfalls würfelt, kurz die Würfel anschaut): Hinter dir! Ein dreiköpfiger Affe!
Ronaldo (der sich umdreht): Wo?
Pedro (der einen Würfel umdreht): Er ist schon wieder fort. Aber sieh hier: ich habe gewonnen!
Ronaldo (verzweifelt): Nein, was für ein Pech! Was soll ich denn jetzt tun, ohne mein Feld? Wie soll ich Frau und Kinder ernähren.
Vito: Ich will kein Unmensch sein. Du sollst weiter auf dem Feld arbeiten dürfen, weil du am besten weist, wie man aus dem Zuckerrohr den besten Rum macht. Und die Früchte deiner Arbeit wollen wir brüderlich untereinander aufteilen.
Ronaldo: Oh, Vito Castellani, du bist so gütig!
Vito: Und dieser Ort, an dem mein Sohn Pedro mir zur Hilfe kam, soll von heute an Empinar el Codo heissen, weil wir hier die Arme zum Trinken und würfeln gebeugt haben.
Vierter Aufzug
(Vito reist weiter die Straße entlang nach Norden, als er eine kleine Hütte erblickt)
Vito: Ah, dort vorn ist eine kleine Hütte, und daran hängt eine rote Laterne. Da will ich einmal einkehren und es mir gut gehen lassen.
Dritte Hexe (in der Rolle der Puffmutter): Willkommen in der kleinen Hütte aller kleinen Freuden. Setz dich auf die Kissen hier, ich will dir eine Gespielin senden.
Vito (der Platz nimmt): Es wäre nicht recht, zu widersprechen.
Gespielin: Oh, wer ist denn dieser stattliche Mann. Was für ein Glück, dass er uns am kühlen Abend besucht, dann kann er mich wärmen.
Vito: Ein Feuer der Leidenschaft will ich bei dir entzünden.
Dritte Hexe: Dann will ich euch beide allein lassen. Doch vorher soll Emanuela euch noch von dem Mohnkuchen bringen, den sie gebacken hat, damit es euch auch recht wohl werde.
Vito: Emanuela?
Emanuela (die mit einem Tablett eintritt, schockiert): Padre?
Vito (der aufspringt, schockiert): Meine Tochter Emanuela?
Gespielin (die abgeht): Das wird nicht gut enden!
Vito (der auf Emanuela losgeht): Meine eigene Tochter Emauela in einem Hurenhaus! Hast Du mir nicht schon genug Schande gemacht?
Emanuela: Padre –
Vito (sehr aufgeregt): Hast solange Widerworte gegeben, bist nicht brav und folgsam gewesen, bis ich nicht anders konnte, als dich aus dem Haus zu werfen. Hast dich dann in den Straßen und Gassen von Jarlow-Cuidad herumgetrieben, hast den guten Namen der Familie befleckt, bis ich nicht anders konnte, als dich aus der Stadt zu werfen. Und nun dies!
Emanuela (die zu weinen beginnt): Padre –
Vito (der ihr das Tablett aus den Händen schlägt): Wie kannst du mich deinen Vater nennen? Wie nach all der Schande, die du mir gemacht hast, deiner Familie, deinen Brüdern und Schwestern? Weißt du, wie sie um dich geweint haben? Über deinen Fall, über deine Schande? Besonders deine kleine Schwester Carmelita!
Carmelita (die eintritt): Du hast nach mir gerufen, Padre?
Emanuela: Carmelita!
Carmelita (die auf Emanuela zuläuft und sie umarmt): Emanuela!
Vito: Carmelita, mit deinem zarten Gemüt schau dir das Elend und die Schande nicht an!
Carmelita: Aber Padre, sieh doch, es ist meine Schwester und deine Tochter. Fast ein Jahr habe ich sie nicht gesehen.
Vito: Und ich will sie nie wieder sehen.
Emanuela: Padre –
Vito: Und nichts mehr hören.
Emanuela: Padre – es tut mir leid.
Vito (der sie zum ersten Mal genau ansieht): Was sagst du?
Emanuela: Es tut mir leid. Bitte verzeih mir.
Carmelita: Hörst du, Vater? Sie bittet dich um Verzeihung. Auch ich bitte dich: verzeih ihr. Lass sie wieder nach Hause kommen.
Vito (zu Emanuela): Und willst du von nun an brav und folgsam sein?
Emanuela: Si, padre.
Vito: Dann soll es so sein, wenn auch nur für deine Schwester.
Emanuela: Oh, gracias padre! Gracias, gracias, gracias.
Carmeltia: Aber Schwester, berichte mir doch, wie es dir ergangen ist.
Emanuela: Ich habe unter den einheimischen Frauen gewohnt, und sie haben mich gelehrt, wie man aus dem Mohn eine Milch kocht und einen Kuchen backt.
Carmelita: Oh, erzähle mir davon, ich habe schon so viel darüber gehört. Die Einheimischen sagen, man könnte mit der Mohnmilch größte Leiden lindern und mit den Mohnkuchen größte Freude erzeugen.
Emanuela (die gemeinsam mit ihrer Schwester abgeht): Ich will dir auf dem Heimweg davon erzählen.
Vito: An diesem Ort habe ich die Sünden meiner Tochter aus der Vergangenheit wieder gesehen. Aber wäre Carmelita nicht gewesen, vielleicht hätte ich selbst gesündigt. Um mich immer daran zu erinnern, will ich diesen Ort Nuestros Pecados nennen.
Fünfter Aufzug
(In einer kleinen Höhle kurz vor Jarlow-Ciudad stehen die Hexen um einen brodelnden Kessel herum)
Erste Hexe: Die gelbe Katz hat dreimal miaut.
Zweite Hexe: Drei- und einmal der Riesenigel gequiekt.
Dritte Hexe: Harpyie schreit: s’ist Zeit, s’ist Zeit.
Erste Hexe: Um den Kessel sollt ihr tanzen, gift’ge Tiere und auch Pflanzen geben wir sogleich hinein in den brodelnd-lodernd Schleim.
Alle drei Hexen: Alles hinein, das schmeckt fein! Feuer lodre, Kessel brodle.
Zweite Hexe: Molchesauge, Gnomenzehe, Eichornzahn und Fuß der Krähe. Starken Zauber eingemischt, hier in unserem Kessel zischt.
Alle drei Hexen: Alles hinein, das schmeckt fein! Feuer lodre, Kessel brodle.
Dritte Hexe: Knüppelbohne schmeckt am besten, angereichert mit den Resten von den Schlangen die wir fangen, tief im Sumpf!
Alle drei Hexen: Alles hinein, das schmeckt fein! Feuer lodre, Kessel brodle.
Erste Hexe: Ah, mir juckt der Daumen sehr, irgendwer kommt gleich daher.
Zweite Hexe: Lasst ihn ein, gleich wer mag‘s sein.
Vito (der in die Höhle eintritt): Ha! Ihr mitternachtsschwarzen Mütterchen, euch kenne ich doch! Bin ich euch nicht begegnet, einer nach der anderen? Was treibt ihr nun gemeinsam hier?
Erste Hexe: Rede!
Zweite Hexe: Frage!
Dritte Hexe: Wir wollen dir antworten!
Vito: Dann beantwortet mir dies: wie kommt es, dass ich in den letzten Tagen euch drei entlang der Straße traf, eine nach der anderen? Und wie habt ihr alle es vor mir hierher geschafft?
Erste Hexe: Wohl kennen wir Land, Wälder und Sümpfe.
Zweite Hexe: Wohnen schon viel länger hier als du und deine Familie.
Dritte Hexe: Und haben auf den Herren des Landes gewartet.
Vito: Und habt ihr ihn gefunden?
Erste Hexe: Wir wollen dir weissagen.
Zweite Hexe: Aber das kostet eine Kleinigkeit.
Dritte Hexe: Und ein gutes Schicksal vielleicht noch etwas mehr.
Vito: Das halbe Land habe ich nun gesehen, kenne seine Früchte, und will sie mit euch teilen. Hast Du mir nicht das Tabacofeld gezeigt, von dem meine Söhne Tyro und Lobo die Wilden vertrieben haben? Ich will dir und den deinen also zu rauchen geben. Und sah ich nicht dich in dem Wirtshaus, in dem ich mit der Hilfe meines Sohnes Pedro vom Bauern Ronaldo das Zuckerrohrfeld gewann? Ich will euch also vom besten Rum zu trinken geben. Und warst es nicht du, die mir meine Tochter Emanuela schickte? Durch die Milde ihrer Schwester Carmelita ist sie in den Schoß der Familie heimgekehrt und hat die Geheimnisse des Mohns mitgebracht. Deshalb will ich euch vom Mohnkuchen zu essen geben.
Erste Hexe: Du hast wohlgetan, und nun wollen wir dir eine gute Zukunft voraussagen, pass nur gut auf. Denn es soll dir gelingen, noch zu deinen Lebzeiten das ganze Land, in dem du wohnst, zu kennen. Von den schneebedeckten Gipfeln der Ogerzähne bis zu den weißen Stränden an den Küsten. Und du sollst das Land beherrschen, weil du zur rechten Zeit den Kampf nicht scheust, zur rechten Zeit gute Verbündete suchst und findest und zur rechten Zeit Gnade kennst.
Zweite Hexe: Und du sollst der Vater eines Sohnes sein, und wenn du ihn diese Tugenden lehrst, dann soll er deine Herrschaft erben.
Dritte Hexe: Und solange du und die deinen, Söhne und Töchter und Enkel diese Tugenden kennen, solange soll die Herrschaft deiner Familie andauern.
Alle drei Hexen: Viva Vito Castellani.
Un hombre simple
Oder: die Geschichte, wie der Handwerker Hector Castellani ein Geschöpf machte, um seiner Familie in größter Not beizustehenAufgeführt im Jahre 215 zur Einladung "Un Hombre Simplico"
Es treten auf: Hector, Tyro und Juan Castellani, zwei Mätzen, zwei Kultisten, Bischoff Obispo und ein verderbte Capitan, Calida Castellani, drei Wilde, Isabella Castellani
Erster Aufzug: Unter den Toren
Hector, Tyro, zwei Mätzen, Bischoff Obispo nebst zwei Kultisten
Tyro, ein alter Mann, und Hector in einer Gasse unter den Toren
Tyro:
Drei Jahre und drei Tage sind es schon,
Dass mein Vater, den ich liebte wie einen Vater
Und der mich liebte wie einen Sohn
Nicht mehr lebt.
Im ersten Jahr sind viele gestorben
Viele wurden verschleppt, sind gar übergelaufen
Es sind alle guten Geschäfte verdorben
Ein schwächerer Mann hätte sich aufgegeben
Im zweiten Jahr waren es doppelt so viele
Im dritten wieder die zweifache Zahl
Und mit jedem Tag bricht das Herz vor Qual
Wenn ich sein Vermächtnis am Boden zerschlagen sehe.
Hector:
Onkel, ich bitt dich, verzage nicht
Auch wenn selbst dein Bruder, Lobo, der einst dein Schatten war
Am Halse gehenkt wurde, bis dass er nicht mehr lebte.
Doch noch sind weder Hopfen und Malz, noch alle Hoffnung verloren.
Schau deinen Bruder Juan, dem es doch recht trefflich gelingt,
Nicht dem Bischoff nach dem Munde zu reden,
Noch öffentlich gegen ihn und seinen Beschützer, den verderbten Capitan,
Und der Herzen und Geister gewinnt in den Schänken für unsere Sache.
Erste Metze (tritt gemeinsam mit der Zweiten Metze auf):
Oho! Selbst hier vor den Toren der Stadt,
Wo man gut schläft, wenn man sonst keine Schlafstelle hat
Wo keiner fragt nach woher und wohin
Kennt man euren Bruder, Herr Castellani.
Hat er nicht doch in seinem jüngsten Spottlied
Gegen den Bischoff und sein goldenes Idolon
Den Mund zu voll genommen? Und hat nicht der Bischoff
Den Capitan und all dessen Männer ausgesandt, Euch mit Stumpf und Stiel auszurotten?
Tyro:
Und wenn schon! Sollen sie kommen!
All diese Männer sind Mäuse,
Nein, sind nichts als bloße Läuse,
Die früher oder später aus Jarlows Pelz herausgebürstet werden sollen!
Zweite Mätze:
Nur ruhig Blut! ich sehe: noch habt ihr silberne Ketten
Wenn es euch gefällt, ihr sollt mir ein Glied davon geben
Dafür will ich euch wärmen, hier im Schatten der Stadt
Und euren Herrn Neffen für ein weiteres.
Hector:
Das wird mir gut gefallen,
Wir wollen uns zu einander gesellen
Bischoff Obispo nebst zwei Kultisten tritt auf:
Aha! Da sind die verderbten Castellani, Söhne des verderbten Castellani
Und Brüder und Neffen von verderbten Castellani! In Baals Namen! Macht ihnen den Gar aus!
Die zwei Kultisten ziehen ihre Waffen, und während die Metzen abgehen duellieren sich die Kultisten mit Tyro und Lobo, die am Ende die Oberhand gewinnen
Bischoff Obispo:
Fast seid ihr ausgerissen, mit Stumpf und Stiel
Doch noch könnt ihr euch meiner Männer erwehren
Für heute habt ihr eure Häute gerettet, doch hört:
Das nutzt euch auf Dauer nicht viel!
Euren grölenden, lärmenden Bruder haben wir schon
Das eine oder andere Mal getrieben in die Enge
Während er uns bislang aber immer entkommen ist
Fiel uns nun seine Tochter Isabella in die Fänge!
Tyro und Hector sind so schockiert, dass ihnen die beiden Kultisten entkommen können, die gemeinsam mit dem Bischoff abgehen
Hector:
Oh Onkel! Oh ach, oh weh!
Mir wollen bald Blut und Galle gerinnen!
Tyro:
Ruhig Geist und ruhig Blut! Wir wollen sie bald zurückgewinnen
Doch dazu nutzt uns nicht Gewalt und Geschrei
Wenn wir handeln ohne zu denken, dann wird es uns nicht gelingen
Wir machen einen Plan, mit dem Verstand so scharf
Wie bald, wenn Isabella sicher bei ihrem Vater ist
Unsere Rache am verderbten Bischoff mit unseren Klingen!
Zweiter Aufzug: In den Sümpfen
Hector ist in die Sümpfe gereist, um seine Tante Calida um Rat zu fragen, die er in einer Hütte findet. Neben Calida sind darin – im Hintergrund – drei Wilde, die zusammengekauert miteinander grunzen
Hector:
Tante Calida! Endlich habe ich dich gefunden
Nachdem ich Stunden, die sich anfühlten wie Tage
Und Tage, die sich anfühlten wie Stunden
Durch die Sümpfe geirrt bin auf der Suche nach Dir
Und nun finde ich dich hier, umgeben von Tieren und Wesen
Von die nicht ganz Mensch und nicht ganz Tier
Trommeln und brummen und singen
Und – wie es scheint – zu Gast sind bei dir
Calida:
Hector, mein Neffe, Sohn meiner Schwester
Lange sah ich Dich nicht mehr in meinem bescheidenen Haus
Tritt näher heran an mich alte Frau
Damit ich dich besser anschau
Und fürchte nicht die Wilden, sie sind nicht gefährlich
Sondern nützlich für diese und jene Geschäfte
Und wenn nötig, dann sind sie natürlich entbehrlich
Und bis dahin haben sie gewisse Kräfte
Derer ich mich gerne bediene.
Die Wilden Brummen eine Melodie
Hector:
Calida, meine Tante, ich will dir berichten
Von Schrecken und Trübsal, die in der Stadt uns umfängt
Der Schatten Tyros ist vor drei Wochen erhenkt
Und Bischoff Obispo hat Isabelle gefangen
Calida:
Nicht Isabelle, die Tochter meines Neffen Juan
Die noch so jung an Jahren und ebenso voller Unschuld
Wie ihr Vater reich an Erfahrung!
Was immer es kostet, wir werden sie zurückgewinnen!
Die von den Wilden gebrummte Melodie wird dramatischer
Hector
Dann bitte, Tante, was können wir tun? Tyro
Mahnt zu kühlem Kopf und wetzt die Messer
Doch ich bin ein einfacher Mann, der nur sein Handwerk gut beherrscht
Könnte ichs tun, ich würde mit Meißel und Spatel
Ein Heer schaffen.
Calida:
Besser mit dem Meißel.
Hector:
Was meinst Du? Nichts leichter als dass
Ich einen Wächter aus Stein schneide
Mit scharfen Zähnen vielleicht, und Klauen und Schwingen
Aber wenn soll der Wächter erschrecken, wen niederringen?
Calida:
Du beschaffe Meißel und Stein
Den Rest lass meine Sorge sein.
Calida wendet sich den Wilden zu, deutet auf einen nach dem anderen
Caldia:
Ihr Geister, Ahnen, Teufel
Ich biete Euch Wein, ich fürchte keinen Schwefel
Fahrt in diese Gefäße ein
Ein Geheimnis soll entschlüsselt sein!
Erster Wilder (erhebt sich und spricht!):
Siehst du es leuchten? Dann lässt sich’s hoffen
Dass du aus bestimmten Stoffen
Durch rechte Mischung, denn auf Mischung kommt es an,
Den animierten Körper geschaffen, dann ist das Werk getan.
Der Wilde fällt zu Boden
Zweiter Wilder (der sich erhebt uns spricht!):
Dann sollst Du einen Namen denken
Dem Wesen einen Namen schenken
Und mit dem kannst Du es lenken!
Der Wilde fällt zu Boden.
Dritter Wilder (der sich erhebt uns spricht!):
Wie kannst du den Diener kontrollieren?
Du sollst es auf die rechte Art probieren
Mit rechter Tinte auf rechtes Papier seinen Namen schreiben
Und den Befehl, sonst muss lahm und stumm er bleiben.
Der Wilde fällt zu Boden, worauf die beiden anderen Wilden sich furchtsam um ihn scharen, dann beginnen die drei wieder zu grunzen.
Hector:
Was Zauberwerk Tante! Was Schlangenkunst
Was kam über die Wilden, dass sie wie Menschen sprachen?
Was ist rechte Tine, was rechtes Papier?
Und welch Geister, Ahnen, Teufel gilt deine Gunst?
Calida:
Sorg dich nicht Neffe, rechtes sei in der Folge meine Pflicht
Deine sei das Wesen körperlich zu schaffen
Ihm eine Harte Haut zu geben und Waffen
Und horche auf deine innere Stimme dabei, denn seinen Namen kenne ich nicht.
Dritter Aufzug: Im Palazzo des Bischoffs Obispo
Hector, Tyro, Juan, Isabella, Bischoff Obispo, Capitan, zwei Kultisten
Hector:
Tyro! Juan! Es ist uns gut gelungen
Durch die breiten Straßen und engen Gassen
Und durch des Bischoffs gedungene Massen
In seinen Palazzo sind wir eingedrungen
Juan:
Mein Neffe, ich muss dich trefflich loben
Dein Werk, geschaffen mit meiner Schwester Rat
Ist durch des Feindes Waffen nicht mehr zu verletzen
Als ein Stein vom Regen zu fürchten hat
Tyro:
Und schon sind wir bald in der hintersten Kammer
Wo der Bischoff Juans Tochter, Isabelle, verbirgt
Seine Schergen und Kultisten haben wir geschlagen
Und bald ist auch sein verfluchtes Leben verwirkt
Juan:
Es ist war, Bruder Tyro, ich werde es besingen
Wie das lachen ihrer güldenen Götzen erstickt
Wenn Temios in ihre Fratzen blickt
Und des Bischoffs Truppen über die Klingen springen
Isabella (aus einer Zelle in der hintersten Ecke):
Onkel Tyro! Und Hector! Ich erkenne die Stimmen
Und Juan, mein Vater, ist auch dabei
So lauft doch, befreit mich, aus des Bischoffs Kerker
Capitan (der mit zwei Kultisten und dem Bischoff Obispo vor die drei Castellani springt, den Säbel in der Hand):
Ihr treibt es aber arg und ärger!
Habe ich nicht gerade diesen Lobo
Aufhängen lassen am Halse, bis dass er nicht mehr lebt?
Und euch hetzten lassen wie Hunde
Und nun dringt ihr ein in diese traute Runde?
Juan (der das Fechten beginnt und einen der Kultisten niederringt):
Meinen Bruder zu rächen bin ich heute nicht gekommen
Sondern weil ihr meine Tochter Isabella verschleppt
Doch wo ich dich hier finde, verderbter Verbrecher
Werde ich doch noch zu meines Bruders Rächer
Hector (der gegen den zweiten Kultisten ficht und ihn überwätigt):
Ihr Schergen! Ihr Abschaum! Sollt endlich bezahlen
Für den Schrecken, den ihr in den Gassen verbreitet
Nicht nur hetzt ihr uns, ihr bereitet auch Qualen
Jungen Frauen wie Isabella, die unter euch leiden!
Tyro (der mit einem kurzen Messer den Säbel des Capitans ausmanövriert und ihm einen Stich in die Brust versetzt):
Dies ist meine rechte Rache
Verderbter Hauptmann der Wache!
Vielleicht lindert dein Tod nicht meinen Verlust
Aber er schadet auch nicht – sei dir dessen bewusst!
Capitan fällt tot zu Boden
Bischoff Obispo:
Ihr Lumpen! Ihr Hunde! Ihr Ketzerpack!
Der wahre Baal soll euch bestrafen!
Doch wo sind meine Männer, wo sind meine Waffen?
Hector:
Deine Götze Baal ist wertlos und dumm
Gegen die Kraft der Ahnen, weil sie uns beschützen
Mein Diener Temios bleibt vielleicht stumm
Gegen deine Wachen im Hof konnte er mir dennoch trefflich nützen.
Tyro (der dem Bischoff Obispo den Garaus macht)
So geht nun deine Herrschaft klanglos zu ende
Dein Götze endet heute mit dir
Während unsere Ahnen ewig triumphieren
Und alle die ihnen gedenken ewig prosperieren!
Juan (der Isabella befreit):
Und nun meine Tochter, zartes Kind
Sollst nichts mehr sehen von diesem Gemetzel
Nur sei dir gewiss: Gerechtigkeit ist getan
Lass uns nun fliehen, schnell wie der Wind
Isabella:
Si, padre, ich bitt dich, führ mich nachhaus
Dieser Anblick ist mir ein Graus!
(Isabella und Juan ab)
Tyro:
Du kannst recht gut fechten, Sohn meiner Schwester
Aber unter allem, was du gut kannst
Ist dies sicher nicht dein bester Zug
Hammer und Meißel zu führen ist fraglos dein bester
Und mit Hilfe deiner Tante, meiner Schwester Calida
Konntest das Blatt du wenden in der heutigen Schlacht
Doch bedenke: Calida ist weise wie gefährlich
Ihr Rat ist potent, doch fast immer auch giftig
Danke ihr, doch nutz ihn nicht nach dieser Nacht
Wenn der Diener erlahmt, behalt ihn, das Gedächtnis
Deiner Söhne und Töchter zu mahnen an die Zeit
Als wir schwachen waren und nicht mächtig
Und nun vergiss seinen Namen
Wenn er aufhört zu gehen: lass ihn stehen
Hector:
Ja, Onkel, so soll es geschehen