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1. Die Reise des Vito Castellani
2. Zweites Stück
3. ...
4. ...
5. ...
6. ...
Die Geschichte vom Leben und Sterben des Lobo Castellani
Aufgeführt im Jahre 211 zur Einladung "Lobo y Principe"
Ein Trauerspiel in drei Aufzügen
Vorrede
El camino del hombre recto está por todos lados rodeado por la injusticia de los egoístas y la tiranía de los hombres malos. Bendito sea aquel pastor que en nombre de la caridad y de la buena voluntad saque a los débiles del valle de la oscuridad, porque él es el auténtico guardián de su hermano y el descubridor de los niños perdidos. Y os aseguro que vendré a castigar con gran venganza y furiosa cólera a aquellos que pretendan envenenar y destruir a mis hermanos. Y tú sabrás que mi nombre es Lobo, cuando caiga mi venganza sobre ti.
Erster Aufzug: In einer Taverne in Portland
(Vito, im besten Mannesalter, mit dichtem, dunklen Bart steht bei Lobo, der ein gutes Stück jünger ist, in der Küche einer schummerigen Taverne.)
Vito: Eh! Lobo! Hermano, Bruder! Hast du noch immer nicht genug von der Arbeit? Damals, als ich noch jung war, und du nur ein Knabe, da mussten wir hier arbeiten, Krüge schleppen, Teller waschen. Nun aber bin ich ein gemachter Mann, mache hier und da Geschäfte dieser und jener Art und komme kaum mehr als Kunde in diese Absteige. Schau doch nur an, wer zum Saufen herkommt: Pack, Matrosen, Ratten und, noch schlimmer, Chuchos, die Köter von der Hafenwache!
Lobo: Bruder Vito, Arbeit hat noch keinen geschändet. Wer Schulden machen kann, der kann sie auch abarbeiten. Und was schmähst Du das Pack! Mit wem machst Du denn diese und jene Geschäfte? Und wenn es nicht an jenem Ort ist, dann ist Dir doch dazu dieser gut genug dafür. Geh Du nur schon nach Hause, grüße meine süße Frau von mir. Der Wirt ist schon gegangen und hat mir den Schlüssel dagelassen, ich werde den paar Gästen, die noch im Schankraum sitzen, ihren Braten bringen, und dann noch ein Bier, und dann werde ich den Laden zumachen, vielleicht noch eine von den angebrochenen Flaschen Rum auf den Heimweg mitnehmen, und um Mitternacht werde ich zu Hause sein.
Vito: Bueno. Ich werde Deine Frau grüßen und ihr sagen, dass Du die Arbeit noch nicht satt hast. Lass es Dir gut gehen, und wir werden uns morgen wieder sehen. Hasta manjana.
(Vito ab durch die hintere Küchentüre)
Capitan Ernesto de la Vega, der mit zwei Soldaten die Taverne betritt, offensichtlich schwer betrunken: Bring mir Wein und Bier für meine Männer und den besten Rum für mich! Rückt mir eine Bank ans Feuer! Und macht dabei gefälligst hurtig, oder wisst Ihr nicht, wer ich bin?
Lobo, noch in der Küche: Diese Stimme kenne ich, und zittere vor Zorn, da ich sie höre. Gehört sie nicht de la Vega, dem feigen Hund? Waren es nicht er und seine Chuchos, seine Köter, die Vitos Vater ermordet haben? Jenen guten Mann, der mich wie seinen eigenen Sohn aufnahm, der mir Brüder, Schwestern und eine Familie schenkte, den ich selbst Vater nannte, bevor er so grausam ermordet wurde!
Capitan Ernesto de la Vega , aus dem Schankraum rufend: Was dauert da so lange? Beeil' er sich! Und bring er noch eine große Portion Schweinebraten!
Lobo, der aus der Küche ein Messer greift und in den Schankraum läuft: Dieses lange Messer nehme ich, um bei den Schweinen das Fleisch von den Knochen zu schälen, das soll mir für dieses Schwein gerade recht sein!
Capitan Ernesto de la Vega, der sich zu Lobo umdreht: Da ist ja endlich der Bursche. Aber wo bleibt mein Rum, wo mein Wei-
Lobo, der beginnt auf den Capitano einzustechen: Feiger Hund! Sohn einer Hündin! Bist es gewohnt Befehle zu geben und gute Männer in den Tod zu schicken! Mein ist die Rache in dieser Nacht!
Capitan Ernesto de la Vega, der bereits verwundet aufspringt, seinen Säbel zieht: Männer! So kommt mir doch zur Hilfe!
Lobo, der die beiden Soldaten ersticht, aber sich doch zurückziehen muss, als von drauße noch mehr Soldaten kommen: Der feige Hund hat bestimmt ein Duzend Soldaten dabei! Und obwohl er schön blutet, tot ist er doch noch nicht!
Capitan Ernesto de la Vega, der sich die blutenden Wunden hält: Männer, ihm nach! Doch seht zu, dass ihr ihn mit den Knüppeln schlagt. Arme und Beine sollt ihr ihm ruhig brechen, aber ich will ihn lebendig, damit ich in seine Augen sehen kann, wenn er aufgehängt wird!
Zweiter Aufzug: Vor Gericht
(Lobo, schwer geschunden, in einem Gerichtssaal in Portland, sitzt auf der Anklagebank. Auf dem Richterstuhl sitzt ein Mann in einer Richterperücke.)
Gerichtdiener: Höret, hörtet! Das hohe Gericht unter dem Vorsitzenden Richter Isidor Torres ist eröffnet.
Richter Isidor Torres: Lobo Castellani, du bist vor dieses Gericht gebracht worden, weil Du den verzweifelten und dummen Versuch unternommen hast, dem ehrenwerten Capitan Ernesto de la Vega in einer düsteren Gasse aufzulauern und ihn hinterhältig zu ermorden.
Lobo: Ich -
Richter Isidor Torres: Den ehrenhaften Capitano de la Vega, der es nicht nur in unserem Königreich den hohen Rang eines Capitanos in der Hafenwache erreicht hat, sondern auch, seit er diese Position erreichte, in wenigen Wochen einen beachtenswerten Wohlstand anhäufen konnte, ohne Zweifel durch Klugheit und Geschäftsgeschick, und der in der Schlacht von Matamoros mit eigener Hand einen Sauren erschlug zur Ehre unseres Königreiches und unseres Gerechten Königs!
Lobo: Er -
Richter Isidor Torres: Gerichtdiener! Bring ihn zum Schweigen!
Gerichtsdiener, der Lobo mit einem Knüppel schlägt: Halt deinen dreckigen Mund!
Richter Isidor Torres: Ja hast Du denn nichts zu deiner Verteidigung zu sagen? So sprich, oder willst du doch gleich gestehen? Was treibst du denn den ganzen Tag, außer den Offizieren unseres Königs aufzulauern?
Lobo: Herr Richter, ich arbeite in einer Taverne am Hafen. Dort koche ich und schenke Bier aus oder schlage mich mit dieser oder jener Arbeit durch.
Richter Isidor Torres: Hat dieses oder jenes dich zu einem Feind des Königs und seiner Offiziere gemacht? Gibt es etwas, was du einem zur Last legen könntest?
Lobo: Ich dachte an den Mord...
Richter Isidor Torres: Aha! Den Mord am braven Capitan de la Vega!
Lobo: Nein, euer Ehren, den am Vater des...
Richter Isidor Torres: Du bist ja ein schäbeiger Lump! Zerbrichst du an der Gemeinheit?
Lobo: Ich -
Richter Isidor Torres: Ja oder nein! Zerbrichst du darunter?
Lobo: Euer Ehren -
Richter Isidor Torres: Ja oder nein, auf eine klare Antwort!
Lobo: Nein.
Richter Isidor Torres: Du kannst auch gar nicht mehr zerbrechen. Du bist ja nur noch ein Häufchen Elend, das vor sich selbst keine Achtung mehr hat.
Lobo: Du -
Richter Isidor Torres: Gerichtdiener! Bring den Hund zum Schweigen.
(Der Gerichtsdiener schlägt Lobo mit dem Knüppel)
Richter Isidor Torres: Lobo Castellani! Im Namen des Königs verkünde ich: Du Verräter an allem was gerecht ist, der du zwei Soldaten des Königs ermordet hast und und es bei einem Offizier versuchtest, wirst du mit dem Tode bestraft.
(Lobo sieht mit kühlem Blick den Richter an.)
Richter Isidor Torres: Und deiner ganzen Sippe, die nur aus Tunichtguten und Gesocks besteht und die dich ohne Zweifel angestiftet hat und die seit vielen Jahren unserem guten König und seinen Wachen nichts als Ärger macht, der wollen wir auch nachstellen und die ganze Bande zur Strecke bringen!
Lobo, nun sehr zornig: Genug! Ich habe dem Hund de la Vega nach dem Leben getrachtet, weil er dem Mann getötet hat, welcher der Vater aller meiner Brüder ist und der mich wie seinen eigenen Sohn aufnahm, und würde es immer wieder tun, wenn sich mir die Gelegenheit dazu bietet. Ich bin stolz auf meine Tat, und ich bin bereit dafür mit meinem Leben zu zahlen. Aber jetzt, wo Du auf meine Familie pisst und ihr drohst, da bist Du zu weit gegangen! Isidor Torres: ich verfluche dich! Du und nach dir dein Sohn und nach ihm dessen Sohn und alle danach bis ins siebte Glied sollen leiden unter deiner Bosheit! Deine Mordlust sollen sie spüren und unter meinem Fluch heulen und nicht Rast noch Ruhe finden, solange der Fluch nicht gebrochen ist!
Richter Isidor Torres: Gerichtdiener! Bring ihn doch zum schweigen!
(Der Gerichtsdiener knüppelt Lobo, bis dieser bewußtlos ist.)
Dritter Aufzug
In einem feuchten, dunklen Kerker in Portland
(Lobo Castellani sitzt in einer Zelle hinter Gitterstäben, durch ein Winziges Fenster scheint der volle Mond, als der junge Tyro Castellani den Kerker betritt und zu Lobo durch das Gitter spricht.)
Tyro: Onkel Lobo! Furchtbar siehst Du aus! Geschunden haben sie dich!
Lobo: Tyro, mein lieber kleiner Neffe! Dich zu sehen lindert meinen Schmerz schon.
Tyro: De la Vega und seine Chuchos sind in allen Straßen auf der Jagd nach uns. Es ist schlimmer als seit langer Zeit. Bald ist es wie vor zehn Jahren, als sie Großvater ermordet haben! Papa Vito ist zu Tante Calida gegangen um sie zu warnen, er sagt, dass wir vielleicht aus Portland fort müssen.
Lobo: Das sind grimme Nachrichten. Aber du hast es doch hierher geschafft, in den gut bewachten Kerker der Hafenwache.
Tyro: Doch es war nicht leicht. Ich konnte einen Wächter bestechen und ein anderer ist einen Moment abgelenkt, doch gleich muss ich wieder fort, Onkel. Aber so wie Du mir einst mein erstes Messer geschenkt hast und mich lehrtest, wie man es verwendet und auf welche Schatten man achten soll, so komme ich in dieser Nacht um dir meinen besten Dolch zu schenken, den ersten ganz aus Silber, den ich zu meinem sechszehnten Geburtstag von meinem Vater, deinem Bruder Vito erhielt.
(Tyro reicht den Dolch zu Lobo durch die Gitterstäbe.)
Lobo: Mein lieber Neffe! Ist dir nicht dein silberner Dolch der teuerste Besitz? Und doch kommst du, in der Stunde da du die Heimat verlassen musst, und schenkst ihn einem todgeweihten Mann.
Tyro: Wenn die Ahnen es vorgesehhen haben, wirst du ihn noch gebrauchen können. Aber jetzt muss ich fort. Vater sagt, dass wir mit der Flut im Morgengrauen mit dem Schiff fort müssen. Leb wohl, Onkel Lobo.
(Tyro ab)
Lobo: So sitze ich nun im Kerker ein, soll mit dem ersten Sonnenstrahl aufgehängt werden. Und ich habe einen Dolch. Soll ich dem Henker die Genugtuung geben?
Ein Geräusch auf der Treppe kündigt den Capitan Ernesto de la Vega an, der in den Kerker heruntersteigt, den Körper mit Verbänden umwickelt: Lobo, du Bastard! Erst habe ich deinen Zievater einen Kopf kürzer gemacht, jetzt wirst Du aufgehängt und dann schnappe ich mir deine ganze verdammte Sippe. Einen nach dem anderen! Es wird eine gute Zeit für mich werden!
Lobo: De la Vega, reudiger Hund der reudigen Hunde! Kommst her, um einen toten Mann in seiner letzten Nacht auf Erden zu verspotten.
Capitan Ernesto de la Vega, der dicht an das Gitter herantritt: Nachdem Du mir ans Leben wolltest, werde ich mich an deinem Tod sattsehen und lachen und spotten, bis du nicht mehr atmest! Deinen Leichnam werde ich noch –
Lobo, der den Dolch bis dahin verborgen hatte, sticht ihn de la Vega durch die Gitterstäbe in die Brust: Genug!
Capitan Ernesto de la Vega, der leblos zu Boden sackt: Wo hast Du –
Lobo: Und schließlich ist die Rache doch mein. Die Ehre des Mannes wiederhergestellt, der mich wie seinen eigenen Sohn aufnahm, der mich zum Bruder seiner Söhne machte, zu dem, der ich heute bin. Was es meinen Brüdern nutzt, das kann heute keiner sagen. Sie werden wohl trotzdem fliehen müssen. Jetzt gerade. Auch mir wird es den Galgen nicht ersparen, denn heraus aus der Zelle komme ich immer noch nicht, und der Morgen graut schon fast. Sollen sie mich aufhängen! De la Vega, der Schweinehund wird mir nicht mehr spotten. Und wenn meine Rache auf den Mann fällt, der mich zum Strick verurteilte, dann soll er wissen, dass mein Name Lobo ist.
Die Reise des Vito Castellani
Aufgeführt im Jahre 212 zur Einladung "Viva el Rey"
Ein Schauspiel in fünf Aufzügen
Es treten auf: Vito Castellani, seine Söhne Tyro, Lobo und Pedro, seine Töchter Emanuela und Carmelita, der Bauer Ronaldo, eine Gespielin, drei Hexen (nebst brodelndem Kessel) und eine Horde Wilder
Erster Aufzug
(Drei Hexen, auf dem Felde)
Erste Hexe: Wann treffen wir uns das nächste Mal? Bei Regen, Donner, Wetterstrahl?
Zweite Hexe: Oder lieber bei Sonnenschein, süßen Trauben, rotem Wein?
Dritte Hexe: Redet nicht so dämlich, wir haben Vito Castellani aufzulauern, sei’s auf dem Feld oder in der Heide. Wollen wir sehen, ob er der Herr des Landes wird.
Alle drei: Kröte ruft: sogleich! Schön ist wüst und wüst ist schön! Wir wirbeln durch Nebel und Wolkenhöhen!
(Hexen wirbeln ab)
Zweiter Aufzug
(Vito Castellani reist auf der Küstenstraße von Trutzburg aus nach Norden)
Vito: Nun reiste ich das erste Mal zu den Gnomen, um sie mit eigenen Augen anzusehen. Klein sind sie ja, aber ihre Nasen! Damit schnüffeln sie wohl die Smaragde auf wie die Schweine die Trüffel. Den größten und schönsten und grünsten all der Steine, die ich ertauscht habe, den will ich meiner Abuela schenken. Sie soll eine Freude daran haben, auf ihre alten Tage. Und wenn ich den Stein so ansehe, dann will ich ihn schleifen lassen als eine Schildkröte, denn die hat sie immer am liebsten gehabt. Ah, wenn ich nur an ihre Schildkrötensuppe denke, dann läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
Erste Hexe (die sich hinter einer Palme verbirgt): Da kommt der junge Vito. Hier will ich ihn stellen!
Vito: Kaum denk‘ ich an meine Abuela, da seh‘ ich eine alte Frau am Wegesrand. Buenos dias, senora!
Erste Hexe: Guten Tag Fremder, was treibst Du hier auf der Straße? Woher, wohin geht deine Reise?
Vito: Aus Trutzburg komm ich, wo ich mit den Gnomen gehandelt habe. Und kennst Du mich nicht? Ich bin Vito Castellani. Die ganze Stadt Jarlow hört schon auf mein Wort, und bald soll es das ganze Land tun!
Erste Hexe: Hör sich das einer an! An Selbstvertrauen fehlt es dir nicht. Siehst Du die Heide dort vorn? Die Wilden bauen dort den Tabaco an, den sie zu rauchen pflegen. Bevor sie mir das Feld stahlen, war es meines. Ich will es dir schenken, wenn du es erobern kannst.
Vito: Nichts leichter als das! Tyro, Lobo! Kommt her meine Söhne! Es gibt eine Aufgabe für euch!
Tyro: Padre! Du hast mich gerufen?
Lobo: Senor Castellani, den ich liebe wie meinen Vater, was kann ich tun?
Vito: Seht ihr das Feld dort, wo der Tabaco mannshoch wächst? Zwischen den Pflanzen hocken Wilde, die meinen das Feld gehöre ihnen.
Tyro und Lobo (singend, worauf sie mit den Wilden kurzen Prozess machen): Doch unsere Messer wissen es besser!
Vito: Wohlgetan, meine Söhne. Hier haben wir gelernt, dass manchmal ein Kampf am Wegesrand wartet und gefochten werden will. Deshalb will ich diesen Ort Camino Luchar nennen. Und mein Vetter Carlito soll hier den Tabaco anbauen, denn er schätzt ihn wie kein Zweiter.
Dritter Aufzug
(Vito Castellani ist weiter nach Norden gereist und erreicht ein Wirtshaus)
Vito: Solange bin ich jetzt gereist, ich bin recht durstig. Und schon komme ich an eine Taverna, was für ein Glück.
Zweite Hexe (verkleidet als Schankmagd): Guten Abend, gnädiger Herr, nur herein in die Wirtschaft.
Vito (der eintritt): Gracias, senora. Doch sie ist ja schon bis zum Bersten gefüllt.
Zweite Hexe: Nun an diesem Tisch ist noch Platz. Du sollst ihn mit dem Bauern Ronaldo teilen.
Vito (der an dem Tisch Platz nimmt): Gut, dann bring mir zu essen und vom roten Wein.
Bauer Ronaldo (schon etwas betrunken): Heda Fremder, hier trinken wir keinen Wein.
Vito (grimmig): Wer bist du, mir vorzuschreiben was ich zu trinken habe?
Ronaldo (lachend): Du kommst hierher, Fremder, kennst nicht unsere Sitten und fragst mich wer ich bin? Ich bin Ronaldo, und mir gehört das große Zuckerrohrfeld, das sich soweit man sehen kann an der Küste entlang zieht. Ich bin der reichste Mann in der ganzen Gegend.
Vito (murmelt leise): Tot bist du gleich!
Ronaldo: Was sagst du? Ich höre etwas schwer. Aber blick dich nur um, das Dutzend meiner Knechte an dem Tisch dort drüben, das hört gut. Sieh dich nur vor, dass sie dich nicht sogleich aus der Türe heraus und den Hang bei den Stiefelsteinen herunterwerfen.
Vito (hat schon die Hand am Messer, lässt dann aber ab): Gut, wenn dir die Zuckerrohrfelder gehören, dann ist es wohl Rum, den man hier trinkt? Lass mir von deinem besten auftragen, dann will ich dir sagen, wie die Sache für uns beide ausgeht.
Ronaldo (lachend): Ah, vielleicht bist du doch nach meinem Geschmack, Fremder. Schankmaid, bring von den grünen Limonen und vom weißen Rum!
Vito (der den Rum kostet und lacht): Na, wenigstens dein Rum ist nach meinem Geschmack.
Ronaldo: Es ist der beste im ganzen Land.
Vito: Er muss es sein. Und du machst ihn?
Ronaldo: Das Land auf dem das Zuckerrohr wächst, ein kleiner Eichenhain, aus dem das Holz für die Fässer kommt und das Wissen darum, wie man den Rum macht gehörten schon meinem Großvater.
Vito: Wer so große Kunstfertigkeit besitzt, dem kann ich nicht böse sein. Lass uns von deinem Rum trinken, und meine Würfel werfen.
Ronaldo: So soll es sein.
Vito (recht betrunken, nachdem die beiden eine Weile getrunken und gewürfelt haben): Ronaldo, es geht nicht an! Du bist vom Glück verfolgt, hast mich um all mein Gold erleichtert. Nichts habe ich mehr, als diesen Edelstein, den ich von den Gnomen habe.
Ronaldo (auch schon recht betrunken): Das ist der größte Smaragd, den ich je sah! Der muss ein Vermögen wert sein!
Vito: Das ist er wohl, aber ich habe ihn für meine Abuela gekauft. Den kann ich nicht hergeben.
Ronaldo: Ich will all das Gold dagegensetzen, das ich von dir gewonnen habe, und mein Zuckerrohrfeld noch dazu!
Vito: Aber gegen dich kann ich nicht gewinnen, so sehr die Würfel dich lieben, so sehr hassen sie mich heute. Aber warte! Ich will meinen Sohn Pedro rufen, er soll die Würfel werfen!
Pedro (der sich aus dem Schatten schält): Padre, ich habe die ganze Sache mitangehört und mich schon gefragt, wann du mich rufen würdest.
Ronaldo (der seine Augen nicht von dem Smaragd lösen kann): Dann soll dein Sohn für dich würfeln. Wenn ich diesen Edelstein gewinne, dann bin ich ein gemachter Mann!
Vito (zu Pedro): Gerade erst im rechten Moment habe ich dich gerufen.
Ronaldo (der würfelt): Ha! Dieser Wurf ist kaum zu schlagen!
Pedro (der ebenfalls würfelt, kurz die Würfel anschaut): Hinter dir! Ein dreiköpfiger Affe!
Ronaldo (der sich umdreht): Wo?
Pedro (der einen Würfel umdreht): Er ist schon wieder fort. Aber sieh hier: ich habe gewonnen!
Ronaldo (verzweifelt): Nein, was für ein Pech! Was soll ich denn jetzt tun, ohne mein Feld? Wie soll ich Frau und Kinder ernähren.
Vito: Ich will kein Unmensch sein. Du sollst weiter auf dem Feld arbeiten dürfen, weil du am besten weist, wie man aus dem Zuckerrohr den besten Rum macht. Und die Früchte deiner Arbeit wollen wir brüderlich untereinander aufteilen.
Ronaldo: Oh, Vito Castellani, du bist so gütig!
Vito: Und dieser Ort, an dem mein Sohn Pedro mir zur Hilfe kam, soll von heute an Empinar el Codo heissen, weil wir hier die Arme zum Trinken und würfeln gebeugt haben.
Vierter Aufzug
(Vito reist weiter die Straße entlang nach Norden, als er eine kleine Hütte erblickt)
Vito: Ah, dort vorn ist eine kleine Hütte, und daran hängt eine rote Laterne. Da will ich einmal einkehren und es mir gut gehen lassen.
Dritte Hexe (in der Rolle der Puffmutter): Willkommen in der kleinen Hütte aller kleinen Freuden. Setz dich auf die Kissen hier, ich will dir eine Gespielin senden.
Vito (der Platz nimmt): Es wäre nicht recht, zu widersprechen.
Gespielin: Oh, wer ist denn dieser stattliche Mann. Was für ein Glück, dass er uns am kühlen Abend besucht, dann kann er mich wärmen.
Vito: Ein Feuer der Leidenschaft will ich bei dir entzünden.
Dritte Hexe: Dann will ich euch beide allein lassen. Doch vorher soll Emanuela euch noch von dem Mohnkuchen bringen, den sie gebacken hat, damit es euch auch recht wohl werde.
Vito: Emanuela?
Emanuela (die mit einem Tablett eintritt, schockiert): Padre?
Vito (der aufspringt, schockiert): Meine Tochter Emanuela?
Gespielin (die abgeht): Das wird nicht gut enden!
Vito (der auf Emanuela losgeht): Meine eigene Tochter Emauela in einem Hurenhaus! Hast Du mir nicht schon genug Schande gemacht?
Emanuela: Padre –
Vito (sehr aufgeregt): Hast solange Widerworte gegeben, bist nicht brav und folgsam gewesen, bis ich nicht anders konnte, als dich aus dem Haus zu werfen. Hast dich dann in den Straßen und Gassen von Jarlow-Cuidad herumgetrieben, hast den guten Namen der Familie befleckt, bis ich nicht anders konnte, als dich aus der Stadt zu werfen. Und nun dies!
Emanuela (die zu weinen beginnt): Padre –
Vito (der ihr das Tablett aus den Händen schlägt): Wie kannst du mich deinen Vater nennen? Wie nach all der Schande, die du mir gemacht hast, deiner Familie, deinen Brüdern und Schwestern? Weißt du, wie sie um dich geweint haben? Über deinen Fall, über deine Schande? Besonders deine kleine Schwester Carmelita!
Carmelita (die eintritt): Du hast nach mir gerufen, Padre?
Emanuela: Carmelita!
Carmelita (die auf Emanuela zuläuft und sie umarmt): Emanuela!
Vito: Carmelita, mit deinem zarten Gemüt schau dir das Elend und die Schande nicht an!
Carmelita: Aber Padre, sieh doch, es ist meine Schwester und deine Tochter. Fast ein Jahr habe ich sie nicht gesehen.
Vito: Und ich will sie nie wieder sehen.
Emanuela: Padre –
Vito: Und nichts mehr hören.
Emanuela: Padre – es tut mir leid.
Vito (der sie zum ersten Mal genau ansieht): Was sagst du?
Emanuela: Es tut mir leid. Bitte verzeih mir.
Carmelita: Hörst du, Vater? Sie bittet dich um Verzeihung. Auch ich bitte dich: verzeih ihr. Lass sie wieder nach Hause kommen.
Vito (zu Emanuela): Und willst du von nun an brav und folgsam sein?
Emanuela: Si, padre.
Vito: Dann soll es so sein, wenn auch nur für deine Schwester.
Emanuela: Oh, gracias padre! Gracias, gracias, gracias.
Carmeltia: Aber Schwester, berichte mir doch, wie es dir ergangen ist.
Emanuela: Ich habe unter den einheimischen Frauen gewohnt, und sie haben mich gelehrt, wie man aus dem Mohn eine Milch kocht und einen Kuchen backt.
Carmelita: Oh, erzähle mir davon, ich habe schon so viel darüber gehört. Die Einheimischen sagen, man könnte mit der Mohnmilch größte Leiden lindern und mit den Mohnkuchen größte Freude erzeugen.
Emanuela (die gemeinsam mit ihrer Schwester abgeht): Ich will dir auf dem Heimweg davon erzählen.
Vito: An diesem Ort habe ich die Sünden meiner Tochter aus der Vergangenheit wieder gesehen. Aber wäre Carmelita nicht gewesen, vielleicht hätte ich selbst gesündigt. Um mich immer daran zu erinnern, will ich diesen Ort Nuestros Pecados nennen.
Fünfter Aufzug
(In einer kleinen Höhle kurz vor Jarlow-Ciudad stehen die Hexen um einen brodelnden Kessel herum)
Erste Hexe: Die gelbe Katz hat dreimal miaut.
Zweite Hexe: Drei- und einmal der Riesenigel gequiekt.
Dritte Hexe: Harpyie schreit: s’ist Zeit, s’ist Zeit.
Erste Hexe: Um den Kessel sollt ihr tanzen, gift’ge Tiere und auch Pflanzen geben wir sogleich hinein in den brodelnd-lodernd Schleim.
Alle drei Hexen: Alles hinein, das schmeckt fein! Feuer lodre, Kessel brodle.
Zweite Hexe: Molchesauge, Gnomenzehe, Eichornzahn und Fuß der Krähe. Starken Zauber eingemischt, hier in unserem Kessel zischt.
Alle drei Hexen: Alles hinein, das schmeckt fein! Feuer lodre, Kessel brodle.
Dritte Hexe: Knüppelbohne schmeckt am besten, angereichert mit den Resten von den Schlangen die wir fangen, tief im Sumpf!
Alle drei Hexen: Alles hinein, das schmeckt fein! Feuer lodre, Kessel brodle.
Erste Hexe: Ah, mir juckt der Daumen sehr, irgendwer kommt gleich daher.
Zweite Hexe: Lasst ihn ein, gleich wer mag‘s sein.
Vito (der in die Höhle eintritt): Ha! Ihr mitternachtsschwarzen Mütterchen, euch kenne ich doch! Bin ich euch nicht begegnet, einer nach der anderen? Was treibt ihr nun gemeinsam hier?
Erste Hexe: Rede!
Zweite Hexe: Frage!
Dritte Hexe: Wir wollen dir antworten!
Vito: Dann beantwortet mir dies: wie kommt es, dass ich in den letzten Tagen euch drei entlang der Straße traf, eine nach der anderen? Und wie habt ihr alle es vor mir hierher geschafft?
Erste Hexe: Wohl kennen wir Land, Wälder und Sümpfe.
Zweite Hexe: Wohnen schon viel länger hier als du und deine Familie.
Dritte Hexe: Und haben auf den Herren des Landes gewartet.
Vito: Und habt ihr ihn gefunden?
Erste Hexe: Wir wollen dir weissagen.
Zweite Hexe: Aber das kostet eine Kleinigkeit.
Dritte Hexe: Und ein gutes Schicksal vielleicht noch etwas mehr.
Vito: Das halbe Land habe ich nun gesehen, kenne seine Früchte, und will sie mit euch teilen. Hast Du mir nicht das Tabacofeld gezeigt, von dem meine Söhne Tyro und Lobo die Wilden vertrieben haben? Ich will dir und den deinen also zu rauchen geben. Und sah ich nicht dich in dem Wirtshaus, in dem ich mit der Hilfe meines Sohnes Pedro vom Bauern Ronaldo das Zuckerrohrfeld gewann? Ich will euch also vom besten Rum zu trinken geben. Und warst es nicht du, die mir meine Tochter Emanuela schickte? Durch die Milde ihrer Schwester Carmelita ist sie in den Schoß der Familie heimgekehrt und hat die Geheimnisse des Mohns mitgebracht. Deshalb will ich euch vom Mohnkuchen zu essen geben.
Erste Hexe: Du hast wohlgetan, und nun wollen wir dir eine gute Zukunft voraussagen, pass nur gut auf. Denn es soll dir gelingen, noch zu deinen Lebzeiten das ganze Land, in dem du wohnst, zu kennen. Von den schneebedeckten Gipfeln der Ogerzähne bis zu den weißen Stränden an den Küsten. Und du sollst das Land beherrschen, weil du zur rechten Zeit den Kampf nicht scheust, zur rechten Zeit gute Verbündete suchst und findest und zur rechten Zeit Gnade kennst.
Zweite Hexe: Und du sollst der Vater eines Sohnes sein, und wenn du ihn diese Tugenden lehrst, dann soll er deine Herrschaft erben.
Dritte Hexe: Und solange du und die deinen, Söhne und Töchter und Enkel diese Tugenden kennen, solange soll die Herrschaft deiner Familie andauern.
Alle drei Hexen: Viva Vito Castellani.
La visita de la vieja dama
Aufgeführt im Jahre 214 zur gleichnamigen Einladung
Ein Schauspiel in zwei Aufzügen
Dabei treten auf: eine Zuckerrohrbäuerin, eine Obsthändlerin, ein Bürgermeister, eine alte Dame nebst ihrem Diener, ein Krämer, ein Gendarm und ein Pfaffe
Erster Aufzug
(Auf dem Dorfplatz sind in freudiger Erwartung der Ankunft der Emanuela Castellani alle Bewohner versammelt. Sie haben die Hoffnung, dass die alte, sehr wohlhabende Dame ihr heruntergekommenes Dorf mit einer großzügigen Spende bedenken möge.)
ZUCKERROHRBÄUERIN: Sie hat einmal hier gewohnt, vor vielen Jahren.
OBSTHÄNDLERIN: Hat ja keiner ahnen können, wer sie ist.
ZUCKERROHRBÄUERIN: Wer weiß, ob einer damals den Namen gekannt hätte.
OBSTHÄNDLERIN: Dann ist sie weggegangen.
OBSTHÄNDLERIN: Hätte ich auch tun sollen.
BÜRGERMEISTER: Da kommt sie! Los, der Chor!
(Der Bürgermeister dirigiert einen Chor aus den Anwesenden, der ein Willkommensständchen singt, dazu treten Emanuela und ihr Diener auf.)
BÜRGERMEISTER: Doña Emanuela! Als Bürgermeister dieses Fleckens habe ich, Ricardo Lora del Rio, die Ehre euch, verehrte Señora, die einmal hier…
(Der Diener lässt geräuschvoll das Gepäck fallen)
EMANUELA: Vielen Dank für die schöne Rede, Herr Bürgermeister. (Sie geht auf den Krämer zu.)
KRÄMER: Emanuela!
EMANUELA: Du!
KRÄMER: Schön, dass Du gekommen bist.
EMANUELA: Das habe ich mir immer vorgenommen. Mein Leben lang, seit ich diesen Flecken verlassen habe.
KRÄMER: (unsicher) Das ist lieb von dir.
EMANUELA: Auch du hast an mich gedacht?
KRÄMER: Natürlich. Immer. Das weißt du doch, Emanuela
EMANUELA: Es war wunderbar, all die Tage, die wir zusammen waren.
KRÄMER: Eben! (Zum Bürgermeister) Schau doch, ich habe sie im Sack!
EMANUELA: Nenn mich, wie du mich immer genannt hast.
KRÄMER: Mein Zuckerhexchen!
EMANUELA: Und ich nannte dich: mein Säbelzahntiger.
KRÄMER: Der bin ich noch.
EMANUELA: Unsinn, Du bist fett geworden und versoffen. Ähnelst eher einem Waldschrat.
(Es stellen sich nun die weiteren Würdenträger vor, zunächst der Gendarm, dann der Pfaffe)
GENDARM: (tritt vor) Gendarm Esteban, Señora. Stehe zur Verfügung.
EMANUELA: (mustert ihn) Danke. Ich will niemanden verhaften. Aber vielleicht wird das Pueblo dich bald nötig haben. Drückst du hin und wieder ein Auge zu?
GENDARM: Das schon, Señora. Wo käme ich hier denn sonst hin?
EMANUELA: Schließ lieber beide.
KRÄMER: Ganz die Emanuela, wie ich sie liebte.
EMANUELA: Ei, ein Pfaffe. Ich nehme an, du pflegst zu beten.
PFAFFE: (tritt vor) Jawohl, zum heiligen Licht. Bruder Miguel, zu Diensten.
EMANUELA: Und pflegt dein heiliges Licht, Flüche zu brechen?
PFAFFE: (verwirrt) Flüche kommen hier nicht so häufig vor, Señora.
EMANUELA: Vielleicht ja in Zukunft öfter. (Zum Krämer) Aber jetzt will ich mit dir in den Wald gehen. Zu dem kleinen Weiher.
(Emanuela und Krämer gehen ab, Bürgermeister, Gendarm und Pfaffe treten zurück, markieren Wald)
+ + +
BÜRGERMEISTER: Wir sind dunkelgrün Mangroven.
GENDARM: Moos und Flechten, Efeudickicht.
PFAFFE: Wolkenzüge, Vogelrufe.
BÜRGERMEISTER: Echte, dunkle Wurzelwildnis.
GENDARM: Fliegenpilze, scheue Rehe.
PFAFFE: Zweiggeflüster, alte Träume.
EMANUELA: (tritt mit dem Krämer auf) Dies ist der Wald, dort der Weiher. Hier wollen wir sprechen.
(Der Diener tritt auf, bringt eine Bank, auf der Emanuela platz nimmt. Der Diener bleibt dahinter stehen.)
EMANUELA: Schau, ein Reh!
GENDARM: (springt davon)
KRÄMER: Schonzeit. (setzt sich zu ihr)
EMANUELA: Auf dieser Lichtung küssten wir uns. Vor mehr als fünfundvierzig Jahren. Wir liebten uns bei jenem Weiher, zwischen Fliegenpilzen im Moos. Ich war siebzehn, du noch nicht zwanzig. Dann hast du eine andere geheiratet, mit ihrem Krämerladen. Damals hast du nicht gewusst, wer ich bin. Fast hätte ich es selbst vergessen, als ich von hier weg ging. Bin dann an Wegen und in Städten meinem Gewerbe nachgegangen.
KRÄMER: Emanuela!
EMANUELA: Eine Cigarra. (Der Diener reicht ihr eine, zündet sie an.)
KRÄMER: Ich habe dir immer eine gute Zukunft gewünscht.
EMANUELA: Nun ist die Zukunft gekommen.
KRÄMER: Ich war mein Leben lang Krämer in einem verkrachten Städtchen. Und seit zwanzig Jahren geht das Geschäft schlecht und schlechter.
EMANUELA: Nun habe ich Geld. Seit ich mich mit meinem Vater aussöhnte auch ein gewisses Ansehen.
(Sie schauen in den Wald, er schweigt, sie raucht. Die Bäume rascheln mit den Blättern.)
KRÄMER: Nun wird sich alles ändern.
EMANUELA: Gewiss.
KRÄMER: Du wirst uns helfen?
EMANUELA: Ich lasse dieses Städtchen nicht im Stich.
KRÄMER: Wir haben viele Goldstücke nötig.
EMANUELA: Das geringste.
KRÄMER: (begeistert) Zuckerhexchen!
EMANUELA: Nun schafft mich einmal in das Pueblo zurück, dann will ich meine Wohltat verkünden.
(Diener und Krämer nehmen die Bank als eine Sänfte, tragen Emanuela darauf zurück ins Dorf, dort sind wieder alle versammelt.)
+ + +
BÜRGERMEISTER: Der Beifallssturm gilt euch, Doña Emanuela.
EMANUELA: Bürgermeister, bevor du eine große Rede machst, will ich gleich sagen, weshalb ich hergekommen bin. Und ihr Anderer hört auch gut zu. Vor vielen Jahrzehnten habe ich in diesem Dorf gewohnt. Damals hat keiner meinen Namen gekannt. Aber ich erinnere mich noch gut an diese Zeit. Und im Andenken daran will ich dem Pueblo Eintausend Goldstücke schenken, fünfhundert dem Ort und fünfhundert verteilt auf alle Familien.
(Totenstille)
BÜRGERMEISTER: (stottert) Eintausend.
EMANUELA: Unter einer Bedingung.
(Alle brechen in Jubel aus)
KRÄMER: Emanuela! Goldig. Wunderbar! Voll und ganz mein Zuckerhexchen. (Er küsst sie.)
BÜRGERMEISTER: Unter einer Bedingung, haben la Doña gesagt. Darf ich diese Bedingung wissen?
EMANUELA: Ich will euch die Bedingung nennen. Ich gebe euch Eintausend Goldstücke und kaufe mir dafür die Gerechtigkeit.
(Totenstille)
BÜRGERMEISTER: Wie ist das zu verstehen, Doña?
EMANUELA: Wie ich es sagte.
BÜRGERMEISTER: Aber Gerechtigkeit kann man doch nicht kaufen!
EMANUELA: Man kann alles kaufen. Meine Familie kann alles kaufen.
BÜRGERMEISTER: Ich verstehe noch immer nicht.
EMANUELA: Diener, tritt vor!
DIENER: Ich weiß nicht, ob noch einer von euch mich erkennt.
OBSTHÄNDLERIN: Der Richter Alvarez!
DIENER: Jawohl, ich war der Richter Alvarez hier vor vielen Jahren und später noch Notar in Jarlow-Stadt, bis vor zwanzig Jahren Señora Emanuela Castellani mir das Angebot machte, als Diener in ihre Dienste zu treten. Es mag ungewöhnlich erscheinen, aber sie bot ein so phantastisches Salär.
EMANUELA: Komm zu Sache.
DIENER: Jawohl. Wie ihr vernommen habt, bietet Señora Castellani Eintausend Goldstücke und will dafür Gerechtigkeit. Also dass ihr das Unrecht vergeltet, das ihr hier zugefügt wurde. Krämer, darf ich bitten?
KRÄMER: Was willst du von mir?
DIENER: Vor fünfundvierzig Jahren war ich Richter hier und hatte eine Vaterschaftsklage zu verhandeln. Eine junge Emanuela, deren Familie keiner kannte, klagte den Krämer an, Vater ihres Kindes zu sein.
(Der Krämer schweigt.)
DIENER: Du bestrittst damals die Vaterschaft und hattest zwei Zeugen mitgebracht.
KRÄMER: Alte Geschichten. Ich war jung und unbesonnen.
DIENER: Die beiden sagten aus, sie hätten Emanuela beigewohnt und noch andere dabei gesehen.
BÜRGERMEISTER: Aber sie gingen beide fort von hier, vor vielen Jahren. Der eine nach Rabenstein und der andere nach Söderland.
EMANUELA: (steht auf) Doch ich ließ sie finden. Und mir ihre Köpfe senden, eingelegt in Fässer voll Salz. Doch nicht, ohne dass sie vorher ihr Verbrechen gestanden hätten.
DIENER: Denn dies ist die Geschichte: ein Richter, ein Angeklagter, zwei gekaufte Zeugen, für eine Flasche Schnaps. Ein Fehlurteil.
KRÄMER: Verjährt, alles verjährt! Eine alte, verrückte Geschichte.
DIENER: Was geschah mit dem Kind, Klägerin?
EMANUELA: (leise) Es lebte ein Jahr.
DIENER: Und was geschah mit euch?
EMANUELA: Ich wurde eine Dirne.
DIENER: Weshalb?
EMANUELA: Das Urteil des Gerichts machte mich dazu. (nach einer Pause) Doch nun will ich Gerechtigkeit. Ich kann sie mir leisten. Eintausend Goldstücke für diesen Flecken, wenn ihr den Krämer verflucht, wenn ein jeder Bürger seinen Namen vergisst und ihr ihn aus eurer Gemeinschaft verstoßt, so wie ich verstoßen wurde.
(Totenstille)
KRÄMER: Emanuela! Das kannst Du doch nicht fordern. Das Leben ging doch längst weiter.
EMANUELA: Das Leben ging weiter, aber ich habe nicht vergessen. Nicht den Wald, nicht den Weiher. Und nun will ich Gerechtigkeit. Für Eintausend Goldstücke.
BÜRGERMEISTER: (mit zitternder Stimme) Doña Emanuela. Den Handel können wir nicht annehmen. Einen Mann ächten und verfluchen. Im Namen des ganzen Dorfes lehne ich das Angebot ab. Wir sind keine Wilden.
(Beifall)
EMANUELA: Ich warte.
Zweiter Aufzug
(Auf der einen Seite sitzt die alte Dame an einem Tischchen, lässt sich schwarzen Kaffa, Likör, etc. von ihrem Diener bringen. Auf der anderen Seite hat der Krämer seinen Stand aufgebaut, verkauft seine Waren, bedient seine Kundschaft.)
(Die Obsthändlerin kommt an den Verkaufsstand)
KRÄMER: Guten Morgen, Elena.
OBSTHÄNDLERIN: Tabaco.
KRÄMER: Wie jeden Morgen.
OBSTHÄNDLERIN: Nicht den, die Exportware.
KRÄMER: Teurer.
OBSTHÄNDLERIN: Dafür anständig. Schreibs auf.
KRÄMER: Weil du es bist, Elena. Und weil wir zusammenhalten müssen.
ZUCKERROHRBÄUERIN: (kommt auch an den Verkaufsstand)Brot. Und ein halbes Pfund Butter. Und von der guten Chorizo.
KRÄMER: Wohl geerbt, Señora Marta.
ZUCKERROHRBÄUERIN: Schreibs auf.
KRÄMER: Eine Kundschaft habe ich diesen Morgen. Sonst die ganze Zeit niemand, und nun strömt’s seit einigen Tagen. Und sagt mal ihr beiden, habt ihr neue Schuhe angeschafft?
OBSTHÄNDLERIN: Jawohl, der Schuster hat und Kredit gegeben. Im Übrigen stehen wir zu dir, felsenfest.
ZUCKERROHRBÄUERIN: Drücken noch ein Wenig.
OBSTHÄNDLERIN: Und noch Schokolade, jeweils für ein Kupfer für uns beide.
KRÄMER: Auch aufschreiben?
ZUCKERROHRBÄUERIN: Auch.
+ + +
(Der Bürgermeister und der Pfaffe treten bei Emanuela vor.)
BÜRGERMEISTER: Doña Emanuela, wir bitten um Verzeihung.
EMANUELA: Was habt ihr denn verbrochen?
PFAFFE: Nichts, Doña! Wir kommen in der Angelegenheit des Krämers.
EMANUELA: Habt ihr ihn verstoßen und verflucht?
PFAFFE: Doña! Wir haben schließlich unsere guten Sitten.
EMANUELA: Warum seid ihr dann hier?
BÜRGERMEISTER: Die Bürger dieses Fleckens haben sich leider, leider verschiedenes angeschafft.
PFAFFE: Ziemlich vieles.
EMANUELA: Verschuldet?
BÜRGERMEISTER: Hoffnungslos.
EMANUELA: Trotz der guten Sitten?
PFAFFE: Wir sind eben auch nur Menschen.
BÜRGERMEISTER: Und nun müssen wir unsere Schulden bezahlen.
EMANUELA: Ihr wisst, was zu tun ist.
BÜRGERMEISTER: Doña Emanuela, reden wir offen miteinander. Versetzt euch doch einmal in unsere Lage. Unser Einkommen ist schon seit vielen Jahren minimin. Jedoch haben wir hier ausgehalten, in der Hoffnung, dass es einmal wieder besser wird. Wir brauchen Kredit, Vertrauen, dann wird da Pueblo wieder aufblühen! Das brachliegende Zuckerrohrfeld...
PFAFFE: Die marode Seilerei! Kauft doch die, und unser Flecken floriert. Einhundert Goldstücke planvoll und wohlverzinst in diesen Gewerben angelegt, nicht Eintausend verschleudert…
EMANUELA: Ich besitze mehr Gold, als ich in diesem Leben ausgeben könnte.
BÜRGERMEISTER: Wir bitten um keine Almosen, wir bieten ein Geschäft.
EMANUELA: Wirklich? Das Geschäft wäre nicht schlecht.
PFAFFE: Doña, ich wusste, ihr würdet uns nicht im Stich lassen!
EMANUELA: Nur nicht auszuführen. Ich kann die Seilerei nicht kaufen, weil sie mir schon gehört.
BÜRGERMEISTER: Euch?
PFAFFE: Das Zuckerrohrfeld?
EMANUELA: Ebenfalls. Sowie alle anderen Manufakturen und Gewerbe. Ließ sie aufkaufen durch meine Männer und dann stilllegen. Euer Hoffen auf eine bessere Zukunft war vertane Zeit.
(Sille)
BÜRGERMEISTER: Das ist doch ungeheuerlich.
EMANUELA: Es ist lange her, dass ich diesen Flecken verließ, hochschwanger und barfuß. Die Bewohner grinsten mir nach. Als die letzten Gebäude im Nebel versanken beschloss ich, zurückzukommen, einmal. Nun bin ich da. Nun stelle ich die Bedingungen. Mache die Regeln.
PFAFFE: Doña Emanuela, ihr seid ein verletztes, liebendes Weib. Ihr verlangt absolute Gerechtigkeit. Doch lasst den unheilvollen Gedanken der Rachen fallen, treibt uns nicht zum Äußersten. So helft doch den armen, schwachen, aber rechtschaffenen Leuten hier ein etwas besseres Leben zu führen. Ringt euch doch zur reinen Tugend durch!
EMANUELA: Tugend, Señores, ist die für Börse von bloß wohlhabenden Menschen gemacht, mit dem Vermögen und Einfluss über die ich verfüge, schafft man sich eine Weltordnung. Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell. Wer nicht blechen will, muss hinhalten, will er mittanzen. Ihr wollt mittanzen. Anständig ist nur, wer zahlt, und ich zahle. Dieser Flecken für eine Ächtung, Wohlstand für einen Fluch. Los ihr beiden! (Sie geht mit dem Diener ab.)
BÜRGERMEISTER: Was sollen wir bloß tun?
PFAFFE: Was können wir tun, als auf Tugend und Gewissen hören?
(Die beiden gehen ab, darauf tritt der Gendarm an den Marktstand des Krämers.)
+ + +
GENDARM: Guten Morgen, Señoras.
OBSTHÄNDLERIN: Gute Morgen.
ZUCKERROHRBÄUERIN: Guten Morgen.
KRÄMER: Gut, dass Du da bist, Gendarm Esteban. Ich verlange die Verhaftung der Emanuela Castellani.
GENDARM: Bier.
KRÄMER: Sehr wohl. (Schenkt ihm ein) Und wie gewöhnlich einen Schnaps dazu?
GENDARM: Diesmal nicht den Trester, den guten Brandy.
KRÄMER: Ziemlich teuer, kann sich niemand leisten.
GENDARM: Man muss sich auch mal etwas gönnen.
KRÄMER: (Schenkt ein) Die Verhaftung…
GENDARM: Nun, du kannst sie natürlich nur anzeigen. Ob sie verhaftet wird, bestimme immer noch ich. (trinkt) Weshalb eigentlich?
KRÄMER: Sie fordert die Einwohner des Pueblo auf, mich zu verfluchen. Schwarze Magie!
GENDARM: Und nun soll ich die Doña einfach verhaften?
KRÄMER: Deine Pflicht!
GENDARM: Mein Lieber, meine Pflicht ist, die Sache nüchtern zu untersuchen. Doña Emanuela machte dem Dorf einen Vorschlag. Eintausend Goldstücke, das stimmt, ich war dabei. Doch damit ist noch kein Gesetz gebrochen.
KRÄMER: Anstiftung zu schwarzer Magie!
GENDARM: Pass mal auf, selbst wenn das denn ein Verbrechen wäre, dann liegt es nur dann vor, wenn der Vorschlag ernst gemeint ist. Und Eintausend Goldstücke. Du musst doch selbst zugeben, dass Doña Emanuela für viel weniger einen Mann verschwinden lassen könnten. Vor allem einen alten Vogel, den eh keiner vermisst. (Er mustert den Krämer).
KRÄMER: Aber der Vorschlag bedroht mich, ob er nun ernst gemeint ist oder nicht. Die Leute kaufen bessere Butter, besseren Tabaco! Und alle tragen neue Schuhe. Der Schuster gibt ihnen Kredit!
GENDARM: Was du nur gegen neue Schuhe hast? Ich trage schließlich auch neue Schuhe.
KRÄMER: Du auch. (pausiert) Und trinkst den teuren Brandy. Früher hat der Trester ausgereicht.
GENDARM: War grässlich
KRÄMER: Und wovon willst du deine neuen Schuhe bezahlen?
GENDARM: Meine Angelegenheit. Und vielleicht solltest du dir auch einen kleinen Brandy gönnen. Oder an die frische Luft gehen. Bist ganz angespannt. Ich kenn dich gar nicht mehr. (Geht ab)
(Der Krämer wandelt herum, während die Obsthändlerin und Zuckerrohrbäuerin seinen Stand forttragen. Bürgermeister, Pfaffe und Gendarm nehmen wieder die Rolle des Waldes ein)
+ + +
BÜRGERMEISTER: Wieder sind wir Tannen, Buchen
PFAFFE: Specht und Kuckuck, scheues Reh
GENDARM: Efeudome, Moderdunkel
EMANUELA: (tritt mit ihrem Diener auf, der eine Bank hinstellt) Bist du gekommen, meinen Weiher zu besuchen?
KRÄMER: Gehört der Weiher dir etwa auch?
EMANUELA: Auch. Komm, setz dich zu mir. (Der Diener reicht Likör auf einem Silbertablett) Möchtest du auch?
KRÄMER: Gerne.
(Der Diener geht ab.)
EMANUELA: In diesem Wald haben wir oft zusammen getrunken, weißt du noch? Den billigsten Wein, den du kaufen konntest. Oder stehlen.
(Einer der Bäume klopft mit einem Schlüssel auf eine Tabakspfeife)
EMANUELA: Ein Specht.
(Ein anderer der Bäume: Kuckuck! Kuckuck!)
KRÄMER: Ein Kuckuck. (Sie trinken. Schweigen.) Du hattest – ich meine: wir hatten ein Kind?
EMANUELA: Gewiss.
KRÄMER: War es ein Junge oder ein Mädchen?
EMANUELA: Ein Mädchen.
KRÄMER: Hast du ihm einen Namen gegeben?
EMANUELA: Carmelita. Nach meiner Schwester.
KRÄMER: Hübscher Name.
EMANUELA: Ich sah das Ding nur einmal. Bei der Geburt. Dann wurde es mir weggenommen. (Schweigen, Trinken)
KRÄMER: Bei wem ist es dann gestorben?
EMANUELA: Bei einer Amme, zu der mein Vater es gab. Den Namen habe ich vergessen. Er schrieb mir einen Brief. Das erste Mal in vielen Jahren, dass ich von ihm hörte. Und für viele Jahre das letzte.
(Schweigen)
KRÄMER: Nun ist es soweit. Wir sitzen zum letzten Mal in unserem bösen Wald voll Kuckuck und Windesrauschen. (Die Bäume bewegen die Äste.) Das Dorf hat sich entschieden. Sie werden mich ächten und verfluchen.
EMANUELA: Ich liebte dich. Du hast mich verraten. Doch den Traum von Leben, von Liebe, von Vertrauen habe ich nicht vergessen. Ich will ihn wieder errichten, mit Eintausend Goldstücken. Die Vergangenheit verändern, indem ich dich daraus tilge. (Wieder Windesrauschen)
KRÄMER: Wo wird es geschehen?
EMANUELA: Hier. Ich habe meinen Diener ins Dorf geschickt, alle herzuholen.
(Alle treten auf, Emanuela geht von der Bank fort, steht etwas abseits mit dem Diener, während sich die anderen darum versammeln, ihr zugewandt. Der Krämer kann auf der Bank stehen, um besser gesehen zu werden.)
BÜRGERMEISTER: Wer reinen Herzens die Gerechtigkeit verwirklichen will, hebe die Hand. (Alle bis auf den Krämer erheben die Hand.)
BÜRGERMEISTER: Ich vergesse dich. Ich verstoße dich. Ich verfluche dich. (Und dreht sich nach außen)
ZUCKERROHRBÄUERIN: Ich vergesse dich. Ich verstoße dich. Ich verfluche dich. (Und dreht sich nach außen)
GENDARM: Ich vergesse dich. Ich verstoße dich. Ich verfluche dich. (Und dreht sich nach außen)
BÜRGERMEISTER: Ich vergesse dich. Ich verstoße dich. Ich verfluche dich. (Und dreht sich nach außen)
PFAFFE: Ich vergesse dich. Ich verstoße dich. Ich verfluche dich. (Und dreht sich nach außen)
(Währenddessen sackt der Krämer zusammen, so dass er am Ende nicht mehr zu sehen ist, als alle mit dem Rücken zu ihm stehen.)
BÜRGERMEISTER: Der Handel der Doña Emanuela Castellani ist angenommen. Einstimmig. Nicht des Geldes –
ALLE: (Wiederholen jeweils) Nicht des Geldes –
BÜRGERMEISTER: Sondern der Gerechtigkeit wegen –
BÜRGERMEISTER: Und aus Gewissensnot –
BÜRGERMEISTER: Denn wir können nicht leben, wenn wir ein Verbrechen unter und dulden –
BÜRGERMEISTER: Welches wir ausrotten müssen –
BÜRGERMEISTER: Weil es unvereinbar ist mit unseren guten Sitten –
BÜRGERMEISTER: Und unseren Tugenden.
Un hombre simple
Oder: die Geschichte, wie der Handwerker Hector Castellani ein Geschöpf machte, um seiner Familie in größter Not beizustehen
Aufgeführt im Jahre 215 zur Einladung "Un Hombre Simplico"
Es treten auf: Hector, Tyro und Juan Castellani, zwei Mätzen, zwei Kultisten, Bischoff Obispo und ein verderbte Capitan, Calida Castellani, drei Wilde, Isabella Castellani
Erster Aufzug: Unter den Toren
Hector, Tyro, zwei Mätzen, Bischoff Obispo nebst zwei Kultisten
Tyro, ein alter Mann, und Hector in einer Gasse unter den Toren
Tyro:
Drei Jahre und drei Tage sind es schon,
Dass mein Vater, den ich liebte wie einen Vater
Und der mich liebte wie einen Sohn
Nicht mehr lebt.
Im ersten Jahr sind viele gestorben
Viele wurden verschleppt, sind gar übergelaufen
Es sind alle guten Geschäfte verdorben
Ein schwächerer Mann hätte sich aufgegeben
Im zweiten Jahr waren es doppelt so viele
Im dritten wieder die zweifache Zahl
Und mit jedem Tag bricht das Herz vor Qual
Wenn ich sein Vermächtnis am Boden zerschlagen sehe.
Hector:
Onkel, ich bitt dich, verzage nicht
Auch wenn selbst dein Bruder, Lobo, der einst dein Schatten war
Am Halse gehenkt wurde, bis dass er nicht mehr lebte.
Doch noch sind weder Hopfen und Malz, noch alle Hoffnung verloren.
Schau deinen Bruder Juan, dem es doch recht trefflich gelingt,
Nicht dem Bischoff nach dem Munde zu reden,
Noch öffentlich gegen ihn und seinen Beschützer, den verderbten Capitan,
Und der Herzen und Geister gewinnt in den Schänken für unsere Sache.
Erste Metze (tritt gemeinsam mit der Zweiten Metze auf):
Oho! Selbst hier vor den Toren der Stadt,
Wo man gut schläft, wenn man sonst keine Schlafstelle hat
Wo keiner fragt nach woher und wohin
Kennt man euren Bruder, Herr Castellani.
Hat er nicht doch in seinem jüngsten Spottlied
Gegen den Bischoff und sein goldenes Idolon
Den Mund zu voll genommen? Und hat nicht der Bischoff
Den Capitan und all dessen Männer ausgesandt, Euch mit Stumpf und Stiel auszurotten?
Tyro:
Und wenn schon! Sollen sie kommen!
All diese Männer sind Mäuse,
Nein, sind nichts als bloße Läuse,
Die früher oder später aus Jarlows Pelz herausgebürstet werden sollen!
Zweite Mätze:
Nur ruhig Blut! ich sehe: noch habt ihr silberne Ketten
Wenn es euch gefällt, ihr sollt mir ein Glied davon geben
Dafür will ich euch wärmen, hier im Schatten der Stadt
Und euren Herrn Neffen für ein weiteres.
Hector:
Das wird mir gut gefallen,
Wir wollen uns zu einander gesellen
Bischoff Obispo nebst zwei Kultisten tritt auf:
Aha! Da sind die verderbten Castellani, Söhne des verderbten Castellani
Und Brüder und Neffen von verderbten Castellani! In Baals Namen! Macht ihnen den Gar aus!
Die zwei Kultisten ziehen ihre Waffen, und während die Metzen abgehen duellieren sich die Kultisten mit Tyro und Lobo, die am Ende die Oberhand gewinnen
Bischoff Obispo:
Fast seid ihr ausgerissen, mit Stumpf und Stiel
Doch noch könnt ihr euch meiner Männer erwehren
Für heute habt ihr eure Häute gerettet, doch hört:
Das nutzt euch auf Dauer nicht viel!
Euren grölenden, lärmenden Bruder haben wir schon
Das eine oder andere Mal getrieben in die Enge
Während er uns bislang aber immer entkommen ist
Fiel uns nun seine Tochter Isabella in die Fänge!
Tyro und Hector sind so schockiert, dass ihnen die beiden Kultisten entkommen können, die gemeinsam mit dem Bischoff abgehen
Hector:
Oh Onkel! Oh ach, oh weh!
Mir wollen bald Blut und Galle gerinnen!
Tyro:
Ruhig Geist und ruhig Blut! Wir wollen sie bald zurückgewinnen
Doch dazu nutzt uns nicht Gewalt und Geschrei
Wenn wir handeln ohne zu denken, dann wird es uns nicht gelingen
Wir machen einen Plan, mit dem Verstand so scharf
Wie bald, wenn Isabella sicher bei ihrem Vater ist
Unsere Rache am verderbten Bischoff mit unseren Klingen!
Zweiter Aufzug: In den Sümpfen
Hector ist in die Sümpfe gereist, um seine Tante Calida um Rat zu fragen, die er in einer Hütte findet. Neben Calida sind darin – im Hintergrund – drei Wilde, die zusammengekauert miteinander grunzen
Hector:
Tante Calida! Endlich habe ich dich gefunden
Nachdem ich Stunden, die sich anfühlten wie Tage
Und Tage, die sich anfühlten wie Stunden
Durch die Sümpfe geirrt bin auf der Suche nach Dir
Und nun finde ich dich hier, umgeben von Tieren und Wesen
Von die nicht ganz Mensch und nicht ganz Tier
Trommeln und brummen und singen
Und – wie es scheint – zu Gast sind bei dir
Calida:
Hector, mein Neffe, Sohn meiner Schwester
Lange sah ich Dich nicht mehr in meinem bescheidenen Haus
Tritt näher heran an mich alte Frau
Damit ich dich besser anschau
Und fürchte nicht die Wilden, sie sind nicht gefährlich
Sondern nützlich für diese und jene Geschäfte
Und wenn nötig, dann sind sie natürlich entbehrlich
Und bis dahin haben sie gewisse Kräfte
Derer ich mich gerne bediene.
Die Wilden Brummen eine Melodie
Hector:
Calida, meine Tante, ich will dir berichten
Von Schrecken und Trübsal, die in der Stadt uns umfängt
Der Schatten Tyros ist vor drei Wochen erhenkt
Und Bischoff Obispo hat Isabelle gefangen
Calida:
Nicht Isabelle, die Tochter meines Neffen Juan
Die noch so jung an Jahren und ebenso voller Unschuld
Wie ihr Vater reich an Erfahrung!
Was immer es kostet, wir werden sie zurückgewinnen!
Die von den Wilden gebrummte Melodie wird dramatischer
Hector
Dann bitte, Tante, was können wir tun? Tyro
Mahnt zu kühlem Kopf und wetzt die Messer
Doch ich bin ein einfacher Mann, der nur sein Handwerk gut beherrscht
Könnte ichs tun, ich würde mit Meißel und Spatel
Ein Heer schaffen.
Calida:
Besser mit dem Meißel.
Hector:
Was meinst Du? Nichts leichter als dass
Ich einen Wächter aus Stein schneide
Mit scharfen Zähnen vielleicht, und Klauen und Schwingen
Aber wenn soll der Wächter erschrecken, wen niederringen?
Calida:
Du beschaffe Meißel und Stein
Den Rest lass meine Sorge sein.
Calida wendet sich den Wilden zu, deutet auf einen nach dem anderen
Caldia:
Ihr Geister, Ahnen, Teufel
Ich biete Euch Wein, ich fürchte keinen Schwefel
Fahrt in diese Gefäße ein
Ein Geheimnis soll entschlüsselt sein!
Erster Wilder (erhebt sich und spricht!):
Siehst du es leuchten? Dann lässt sich’s hoffen
Dass du aus bestimmten Stoffen
Durch rechte Mischung, denn auf Mischung kommt es an,
Den animierten Körper geschaffen, dann ist das Werk getan.
Der Wilde fällt zu Boden
Zweiter Wilder (der sich erhebt uns spricht!):
Dann sollst Du einen Namen denken
Dem Wesen einen Namen schenken
Und mit dem kannst Du es lenken!
Der Wilde fällt zu Boden.
Dritter Wilder (der sich erhebt uns spricht!):
Wie kannst du den Diener kontrollieren?
Du sollst es auf die rechte Art probieren
Mit rechter Tinte auf rechtes Papier seinen Namen schreiben
Und den Befehl, sonst muss lahm und stumm er bleiben.
Der Wilde fällt zu Boden, worauf die beiden anderen Wilden sich furchtsam um ihn scharen, dann beginnen die drei wieder zu grunzen.
Hector:
Was Zauberwerk Tante! Was Schlangenkunst
Was kam über die Wilden, dass sie wie Menschen sprachen?
Was ist rechte Tine, was rechtes Papier?
Und welch Geister, Ahnen, Teufel gilt deine Gunst?
Calida:
Sorg dich nicht Neffe, rechtes sei in der Folge meine Pflicht
Deine sei das Wesen körperlich zu schaffen
Ihm eine Harte Haut zu geben und Waffen
Und horche auf deine innere Stimme dabei, denn seinen Namen kenne ich nicht.
Dritter Aufzug: Im Palazzo des Bischoffs Obispo
Hector, Tyro, Juan, Isabella, Bischoff Obispo, Capitan, zwei Kultisten
Hector:
Tyro! Juan! Es ist uns gut gelungen
Durch die breiten Straßen und engen Gassen
Und durch des Bischoffs gedungene Massen
In seinen Palazzo sind wir eingedrungen
Juan:
Mein Neffe, ich muss dich trefflich loben
Dein Werk, geschaffen mit meiner Schwester Rat
Ist durch des Feindes Waffen nicht mehr zu verletzen
Als ein Stein vom Regen zu fürchten hat
Tyro:
Und schon sind wir bald in der hintersten Kammer
Wo der Bischoff Juans Tochter, Isabelle, verbirgt
Seine Schergen und Kultisten haben wir geschlagen
Und bald ist auch sein verfluchtes Leben verwirkt
Juan:
Es ist war, Bruder Tyro, ich werde es besingen
Wie das lachen ihrer güldenen Götzen erstickt
Wenn Temios in ihre Fratzen blickt
Und des Bischoffs Truppen über die Klingen springen
Isabella (aus einer Zelle in der hintersten Ecke):
Onkel Tyro! Und Hector! Ich erkenne die Stimmen
Und Juan, mein Vater, ist auch dabei
So lauft doch, befreit mich, aus des Bischoffs Kerker
Capitan (der mit zwei Kultisten und dem Bischoff Obispo vor die drei Castellani springt, den Säbel in der Hand):
Ihr treibt es aber arg und ärger!
Habe ich nicht gerade diesen Lobo
Aufhängen lassen am Halse, bis dass er nicht mehr lebt?
Und euch hetzten lassen wie Hunde
Und nun dringt ihr ein in diese traute Runde?
Juan (der das Fechten beginnt und einen der Kultisten niederringt):
Meinen Bruder zu rächen bin ich heute nicht gekommen
Sondern weil ihr meine Tochter Isabella verschleppt
Doch wo ich dich hier finde, verderbter Verbrecher
Werde ich doch noch zu meines Bruders Rächer
Hector (der gegen den zweiten Kultisten ficht und ihn überwätigt):
Ihr Schergen! Ihr Abschaum! Sollt endlich bezahlen
Für den Schrecken, den ihr in den Gassen verbreitet
Nicht nur hetzt ihr uns, ihr bereitet auch Qualen
Jungen Frauen wie Isabella, die unter euch leiden!
Tyro (der mit einem kurzen Messer den Säbel des Capitans ausmanövriert und ihm einen Stich in die Brust versetzt):
Dies ist meine rechte Rache
Verderbter Hauptmann der Wache!
Vielleicht lindert dein Tod nicht meinen Verlust
Aber er schadet auch nicht – sei dir dessen bewusst!
Capitan fällt tot zu Boden
Bischoff Obispo:
Ihr Lumpen! Ihr Hunde! Ihr Ketzerpack!
Der wahre Baal soll euch bestrafen!
Doch wo sind meine Männer, wo sind meine Waffen?
Hector:
Deine Götze Baal ist wertlos und dumm
Gegen die Kraft der Ahnen, weil sie uns beschützen
Mein Diener Temios bleibt vielleicht stumm
Gegen deine Wachen im Hof konnte er mir dennoch trefflich nützen.
Tyro (der dem Bischoff Obispo den Garaus macht)
So geht nun deine Herrschaft klanglos zu ende
Dein Götze endet heute mit dir
Während unsere Ahnen ewig triumphieren
Und alle die ihnen gedenken ewig prosperieren!
Juan (der Isabella befreit):
Und nun meine Tochter, zartes Kind
Sollst nichts mehr sehen von diesem Gemetzel
Nur sei dir gewiss: Gerechtigkeit ist getan
Lass uns nun fliehen, schnell wie der Wind
Isabella:
Si, padre, ich bitt dich, führ mich nachhaus
Dieser Anblick ist mir ein Graus!
(Isabella und Juan ab)
Tyro:
Du kannst recht gut fechten, Sohn meiner Schwester
Aber unter allem, was du gut kannst
Ist dies sicher nicht dein bester Zug
Hammer und Meißel zu führen ist fraglos dein bester
Und mit Hilfe deiner Tante, meiner Schwester Calida
Konntest das Blatt du wenden in der heutigen Schlacht
Doch bedenke: Calida ist weise wie gefährlich
Ihr Rat ist potent, doch fast immer auch giftig
Danke ihr, doch nutz ihn nicht nach dieser Nacht
Wenn der Diener erlahmt, behalt ihn, das Gedächtnis
Deiner Söhne und Töchter zu mahnen an die Zeit
Als wir schwachen waren und nicht mächtig
Und nun vergiss seinen Namen
Wenn er aufhört zu gehen: lass ihn stehen
Hector:
Ja, Onkel, so soll es geschehen